15. Baranka-Park-Gedenkfeier

Sa., 20. Mai 2023

17:00—21:45 Uhr

Baranka-Park am Belgradplatz, 1100 Wien

Die Roma, ihre Geschichte und ihr Schicksal sind von den politischen Entwicklungen in ganz Europa stärker geprägt worden als die irgendeines anderen Volkes.

Der Völkermord an den Roma und Sinti wurde lange Zeit ignoriert und ist heute weitgehend unbekannt, weshalb Roma und Sinti oft als »die vergessenen Opfer« bezeichnet werden. Roma und Sinti wurden in Vernichtungslagern getötet und fielen in Zwangsarbeits- und Konzentrationslagern Hunger und Krankheiten zum Opfer. Viele wurden deportiert und als Zwangsarbeiter ausgebeutet. Die Überlebenden wurden jahrzehntelang nicht als Opfer nationalsozialistischer Verfolgung anerkannt. Von finanzieller Wiedergutmachung blieben sie ausgeschlossen. Die soziale Lage der Roma und Sinti in Europa blieb auch nach 1945 eine schwierige. Auch nach 1945 – also nach ihrer Befreiung wurden die Überlebenden erneut Opfer von Gesetzen, die die alte Diskriminierung fortschreiben. Auch nach 1945 werden die Überlebenden Sinti und Roma für die nunmehr demokratischen Behörden in folgenschwerer Kontinuität weiterhin als »soziale Randgruppe«, als »Asoziale« oder »Kriminelle« geführt und auch so behandelt. Die diskriminierende Bezeichnung »Zigeuner« wurde beibehalten und oft zusätzlich behördlich um »asozial« ergänzt.

Da Sinti und Roma die Anerkennung als Opfer versagt wurde und sie alleine die Ermordung ihrer Familien betrauern mussten, wurde die Baranka-Park-Gedenkfeier vor 15 Jahren ins Leben gerufen. Mit der Feier wird einerseits der Opfer gedacht und andererseits auch das Leben und die Kultur der Roma und Sinti sowie die jüdische und Wiener Kultur gefeiert.

Die Baranka Park Gedenkfeier wird am 20. Mai 2023 zum 15. Mal vom Verein Voice of Diversity organisiert und umgesetzt mit dem Ziel, die Öffentlichkeit an die Roma und Sinti, die vom NS-Regime im Jahr 1941 verschleppt worden sind, zu erinnern und ein Zeichen gegen das Vergessen zu setzen. Lange Zeit war die Hellerwiese, heute Baranka-Park benannt, Lager- und Rastplatz der Sinti- und Roma-Familien, die ihre Teppiche, Stoffe und Pferde bis in das Grazer Becken gehandelt hatten. Dieser historische Ort wurde nach Harri Stojkas Ur-Großmutter Baranka benannt. Sie und ca. 200 weitere Familienmitglieder, die auf der Hellerwiese gelebt hatten, wurden 1941 vom NS-Regime verschleppt.

Namhafte MusikerInnen, AutorInnen und Personen des öffentlichen Lebens treten an diesem Tag auf, um ihre Kultur zu präsentieren und einen Raum für Kennenlernen und kulturellen Austausch zu schaffen, um so Vorurteile aufzubrechen und einen Beitrag für ein friedliches Zusammenleben zu leisten.

Barankapark / Hellerwiese: Rastplatz der Roma & Sinti – ein historischer Ort

Seit dem 18. Jahrhundert war die Hellerwiese Lager- und Rastplatz der Roma (aus dem Stamm der Lovara) und Sinti, die ihre Teppiche, Stoffe und Pferde bis in den Grazer Raum handelten. Die fahrenden Händler lebten mit ihren Wohnwägen auf der Wiese in unmittelbarer Nähe zur Schokoladenfabrik Heller. Der Austausch mit den Nachbarn war freundschaftlich und von gegenseitigem Respekt geprägt, bis 1940 das NS-Regime auf die Roma- und Sinti-Familien aufmerksam wurde. Das Gelände wurde zunächst eingezäunt und stand unter Beobachtung. Im Jahr 1941 verschleppte die Gestapo schließlich blindwütig und gnadenlos alle auf der Wiese lebenden Menschen in Konzentrationslager.

Dieser historische Ort wurde nach Harri Stojkas Ur-Großmutter Baranka benannt.

Zeitzeuge Mongo Stojka

Johann „Mongo“ Stojka, der als Kind mit seiner Familie selbst auf der Wiese gelebt hatte, war einer der ganz wenigen, die das Konzentrationslager überlebten. Sein Vater erkannte die Gefahr durch die Nazis frühzeitig und übersiedelte die achtköpfige Familie nach Ottakring nahe dem Kongressbad. Die Räder des Wohnwagens montierte der Vater kurzerhand ab und machte aus dem mobilen Heim ein kleines Holzhaus mit festem Standort. Doch 1943 wurde auch die Familie Stojka von der Gestapo ins Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert und erlebte Schreckliches. Mit Hilfe seines Sohnes, dem international bekannten Gitarren-Virtuosen Harri Stojka, begann er schließlich die Geschichte dieses historischen Ortes, die auch seine eigene war, aufzuarbeiten und öffentlich zu machen. Im Jahr 2003 wurde der Park schließlich nach der angesehenen Naturheilerin Helene „Baranka“ Huber – Großmutter von Mongo Stojka und Stammes-Oberste – in Baranka-Park umbenannt. Seit 2008 organisiert der Verein Voice of Diversity die jährliche Baranka-Park-Gedenkfeier, um die unermüdliche Aufklärungsarbeit und Bewusstseinsbildung von Mongo Stojka, der im März 2014 verstorben ist, weiterzuführen.

Programm

  • Eröffnung um 17:00 Uhr

Zahlreiche Persönlichkeiten kommen zu Wort und geben kurze Statements, um ein Zeichen gegen das Vergessen zu setzen und den Blick für die Gegenwart und Zukunft zu schärfen.

Moderation: Marion Dworzack (Stv.-Vereinsobfrau)

  • Lesung: Doris Stojka

Traditionell liest Doris Stojka aus dem Buch „Papierene Kinder“ ihres Vater Mongo Stojka (Initiator dieser Gedenkfeier) vor, der das Konzentrationslager als Kind überlebt hatte und später seine Erinnerungen in diesem Buch festhielt.

  • Konzert: Tini Kainrath, Rudi Koschelu und Tommy Hojsa

Der virtuose Akkordeonist Tommy Hojsa mit seiner Bandbreite von Burgtheater über Konzerthaus bis Heuriger, stammt aus der Wienerlied Dynastie der Hojsas und ist aus der Wienerlied Szene nicht wegzudenken. Genau so wenig wie Rudi Koschelu, Kontragitarrist, Wienerlied Sänger und Dudler, Wegbegleiter und Lehrer der besten des Genres. Mit der Dritten im Bunde, Tini Kainrath, Souldiva und Dudlerin mit Herz, bilden die Ausnahmekünstler eine der interessantesten Formationen der Wiener Musik.

  • Lesung: Susanne Scholl

Die Großeltern väterlicherseits wie auch mütterlicherseits wurden im Nationalsozialismus ermordet − eine Tatsache, die Susanne Scholl auch in ihrem ersten Roman „Elsas Großväter“ (Picus-Verlag 2003) verarbeitete. Das Buch thematisiert die Flucht im Dritten Reich und ist den Großeltern gewidmet.

  • Konzert: Aliosha Biz Klezmer Project

Aliosha Biz mischt schon seit Langem die Wiener Weltmusikszene auf: Lakis & Achwach, Tiomna Brauer, Dobrek Bistro und, und, und. Seit Neustem ist er auch noch Kabarettist (sein Programm „Der Fiddler ohne Ruf“ ist in aller Munde) und DJ. Fad wird also dem vierfachen Vater und leidenschaftlichen (gelernten) Wiener nie. Als häufiger Gast im Baranka-Park, präsentiert der Pawlatsch’n-Paganini diesmal ein Klezmer Trio zusammen mit seinen langjährigen musikalischen Weggefährten Sasha Shevchenko (Akkordion) und Sasha Danilov (Klarinette/Saxofon), wobei er selber neben dem Geigenbogen auch die Electronics „schwingt“. Als starkes Zeichen gegen den Krieg holen die drei ehemaligen Sowietbürger die virtuellen Frauenstimmen aus der Ukraine nach Favoriten. Denn Musik ist noch immer stärker als Waffen.

  • Lesung: Stefan Horvath

Geboren 1949, lebt in der Roma-Siedlung in Oberwart. 1995 verlor er bei der Detonation der Oberwarter Rohrbombe unweit der Siedlung einen Sohn. Von diesem Ereignis schwer traumatisiert, litt er an schweren Schlafstörungen, da er das Geräusch der detonierenden Bombe immer wieder in seinen Träumen zu hören glaubte, bis er eines Tages ein probates Mittel zur Überbrückung dieser Zeit fand: Er begann zu schreiben. 2003 erschien sein erstes Buch „Ich war nicht in Auschwitz“ und 2007 das Buch „Katzenstreu“, zu dem mit Willi Spuller auch ein gleichnamiges Hörbuch produziert wurde. 2013 erschien sein bislang letztes Buch „Atsinganos – Die Oberwarter Roma und ihre Siedlungen“.

  • Konzert: Harri Stojka Acoustic Drive

Ein aktueller Schwerpunkt von Harri Stojkas Live-Arbeit im Jahr 2023 liegt dabei ganz klar in der Formation ACOUSTIC DRIVE gemeinsam mit seinen kongenialen Partnern Peter Strutzenberger (Bass) und Sigi Meier (Bongos). Hier wird Stojka style einem anderen von dessen wichtigen Einflüssen, Django Reinhardt und dessen musikalischem Universum nachgespürt, als Grundsatz dafür umreißt der Gitarrist den Ansatz von ACOUSTIC DRIVE prägnant als „moderne Jazz-Solistik mit Akustik-Gypsy-Sound“.

Was diese Worte knapp charakterisieren, transzendiert im Konzert die Limitierungen eines reinen Tributs, Stojka & Co gehen in die Vollen ihrer instrumentalen Ausdrucksmöglichkeiten, lassen ihre Musikalität nicht nur durch das Material Reinhardts sprechen, sondern bewegen sich ebenso dynamisch mit den Eigenkompositionen von Harri Stojka, der „drive“ im Bandnamen darf wörtlich genommen werden und zieht das Publikum rasch in seinen Bann.

  • Konzert: Moša Šišic und seine Schüler

Moša Šišic ist ein gern gesehener Künstler in Favoriten und seine Musk ist sehr beliebt bei der Nachbarschaft. Er sorgt immer für beste Stimmung und hat ein großes Stammpublikum aus Favoriten, welches Jahr für Jahr mit uns die Roma-Kultur lebt und feiert.